Artikel von der Homepage vom ÖGB
Eltern haben Rechtsanspruch auf Freistellungen, wenn Kinder krank sind. Das wird ihnen im Brief aber nicht mitgeteilt.
In diesen Tagen flattert Eltern in Österreich ein Brief der BundesministerInnen Heinz Faßmann und Christine Aschbacher ins Haus. Die beiden erklären darin, was zu tun ist bzw. wie Eltern sich im kommenden Herbst verhalten sollen, wenn ihre Schulkinder krank werden. Das Schreiben sorgt bereits für Wirbel – laut Martin Gruber-Risak, Arbeitsrechtsexperte der Uni Wien, ist es nämlich aus arbeitsrechtlicher Sicht zumindest irreführend.
Eltern und Erziehungsberechtigte werden auf die verlängerte Möglichkeit einer Sonderbetreuungszeit, von bis zu maximal drei Wochen hingewiesen, wenn Kinder aufgrund von Krankheit nicht zur Schule gehen können. Das können Betroffene unter Fortzahlung des Entgelts in Anspruch nehmen. Rechtsanspruch darauf gibt es allerdings – trotz wiederholter Kritik des Österreichischen Gewerkschaftsbundes – keinen.
Warum dieser Brief Risiken für ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen birgt, erklärt Arbeitsrechtsexperte Martin Gruber-Risak im Interview.
oegb.at: Was ist das Irreführende an diesem Brief an die Eltern?
Martin Gruber-Risak: „Der Inhalt des Briefes suggeriert, dass es für die Betreuung eines kranken Kindes nur die Sonderbetreuungszeit nach § 18b Abs 1a AVRAG gäbe. Diese muss allerdings vereinbart werden, dafür gibt es dann eine teilweise Kostenrefundierung für die ArbeitgeberInnen. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten für Eltern – nämlich Freistellungen mit Rechtsanspruch.”
Welche anderen Möglichkeiten gibt es für Eltern?
„Für Angestellte regelt § 8 Abs 3 AngG und für ArbeiterInnen § 1154b Abs 5 ABGB eine Freistellung mit Entgeltfortzahlung ohne Vereinbarung, wenn er/sie „durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung seiner Dienste verhindert wird.“ Solche anderen wichtigen Gründe sind auch die notwendige Betreuung eines kranken Kindes. Hier besteht keine Vereinbarungspflicht.
Das heißt, ArbeitnehmerInnen können die Freistellung einseitig antreten, sie müssen nur ihre ArbeitgeberInnen unverzüglich davon informieren. Andererseits gibt es da aber keine teilweise Refundierung der Entgeltfortzahlungskosten für die ArbeitgeberInnen. Außerdem gibt es noch die Pflegefreistellung nach § 16 UrlG, ebenfalls einseitig antretbar. ArbeitnehmerInnen haben also einen Rechtsanspruch und müssen nichts mit dem Arbeitgeber vereinbaren.”
Können Sie sich erklären, warum die Bundesregierung nur über eine für die ArbeitnehmerInnen offensichtlich nicht so vorteilhafte Möglichkeit informiert?
„Nein. Wie das alles zusammenpasst, weiß ich nicht. Die teilweise Refundierung des gezahlten Entgelts für Arbeitgeber gibt es aber nur bei der vereinbarten Sonderbetreuungszeit, auf die auch im Brief hingewiesen wird.
Wer sich auf die §§ 8 Abs 3 AngG und 1154b Abs 5 ABGB oder die Pflegefreistellung beruft, hat einen Rechtsanspruch darauf, erhält sein Entgelt weiterhin, aber der Arbeitgeber bekommt
keine Refundierung des fortgezahlten Entgelts. Es sind eigentlich die ArbeitgeberInnen in der Position ihre ArbeitnehmerInnen bitten zu müssen, dass sie nicht einseitig eine Dienstverhinderung aus wichtigem Grund antreten, sondern eine Sonderbetreuungszeit vereinbaren, damit ihnen ein Teil des fortgezahlten Entgelts refundiert wird. Das geht aber aus dem Schreiben der BundesministerInnen so nicht hervor …”