KV Sozialwirtschaft: Löhne und Gehälter steigen um bis zu 10,2 Prozent

Einigung in vierter Runde bringt auch Verbesserungen im Rahmenrecht

Bei den Kollektivvertragsverhandlungen für die 130.000 Beschäftigten im privaten Gesundheits-, Sozial- und Pflegebereich (Sozialwirtschaft Österreich) konnte in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag nach 16 Verhandlungsstunden ein Abschluss zwischen den Gewerkschaften GPA und vida und dem Arbeitgeberverband SWÖ erreicht werden.
Die Löhne und Gehälter steigen um bis zu 10,2 Prozent, wobei untere Einkommen stärker erhöht werden. Im Rahmenrecht konnte eine bessere Anrechnung von Vordienstzeiten (etwa auch aus Zivildienst und Freiwilligem Sozialem Jahr), Verbesserungen bei den Umstufungen in höhere Gehaltsklassen nach Ausbildungen und fünf Tage Freistellung zur Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung für Lehrlinge erreicht werden. Darüber hinaus wird der Zuschlag für kurzfristiges Einspringen um 20 Prozent erhöht.

GPA-Verhandlerin Eva Scherz: „Das Verhandlungsergebnis liegt deutlich über der zugrundeliegenden Inflation. Es freut uns, dass wir die unteren Einkommen stärker erhöhen konnten. Das ist gerade in der derzeitigen Situation wichtig. Zudem konnten wir nachhaltige Gehaltserhöhungen erreichen anstatt Einmalzahlungen, die sofort verpuffen. Dieser Abschluss war nur möglich, weil uns tausende Beschäftigte in den Betriebsversammlungen und auf Demos und Aktionen den Rücken gestärkt haben.“

Vida-Verhandlerin Michaela Guglberger: „Neben dem Gehaltsabschluss konnten wir einige Regelungen im Rahmenrecht verbessern. Besonders hervorzuheben ist der um 20 Prozent erhöhte Zuschlag für kurzfristiges Einspringen, der mehr Sicherheit bei den Dienstplänen geben soll. Heuer stand aufgrund der Teuerung der Gehaltsabschluss im Mittelpunkt, unsere Forderung nach einer Verkürzung der Arbeitszeit bleibt aber aufrecht.“

Der Gehaltsabschluss im Detail: Es wurde eine Erhöhung um 8 Prozent für alle vereinbart, wobei aber alle Gehälter monatlich mindestens um 175 Euro erhöht werden, was in der untersten Einkommensgruppe eben zu einer Gehaltserhöhung in Höhe von 10,2 Prozent führt und sich je nach Gehaltshöhe prozentuell nach oben einschleift. Insgesamt profitiert fast ein Drittel der Beschäftigten vom Mindestbetrag. Teilzeitgehälter werden aliquot erhöht.

Betriebsversammlung und Demo am 8. November

Am Dienstag, 8. November, gingen ca. 3000 Mitarbeiter*innen aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich in Wien auf die Straße. Auch 90 Kolleg*innen von JaW nahmen im Rahmen der Betriebsversammlung an der Demo vom Westbahnhof zum Ballhausplatz Teil.

Grund für die Demo: Die stockenden KV-Verhandlungen. Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen konnten sich bei den letzten Verhandlungen noch nicht einigen, weshalb Gewerkschaften und Betriebsrät*innen nun mobilisieren. Die aktuellen Forderungen der Arbeitnehmer*innen sind eine Gehaltserhöhung von +15%, mindestens aber € 350,-. Die Arbeitgeber*innenseite boten 7,5%.

Die nächste Verhandlungsrunde findet am 16. November 2022 statt.

Hier geht es zum Beitrag von der GPA.

Unten stehend auch der Pressespiegel vom ÖGB:
Pressespiegel

Stellungnahme zum KV-Abschluss

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

sehr schnell und überraschend kam es zum Abschluss der Kollektivvertragsverhandlungen. Selbst ich, als Teil des kleinen Verhandlungsteams der Arbeitnehmer*innen, wurde von der schnellen Vorgehensweise überrumpelt.

Vor nicht einmal einem Monat am 10. März waren viele von uns schon auf dem Weg zur Großdemo, die kurzfristig untersagt wurde. Am 17. März wurde aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus die für den 26. März geplanten Verhandlungen ausgesetzt und öffentlich bekannt gegeben, dass wir ein schriftliches Angebot der Arbeitgeber*innen erwarten. Dieses ist am Montag eingelangt und wurde am selben Tag per Mail an alle Mitglieder des Verhandlungsteams zur Abstimmung ausgesandt und letztendlich auch mit 75% angenommen.

Das Ergebnis im Detail:

1.2.2020: Erhöhung der KV-Tabelle, Ist-Gehälter, der „alten Gehalts- bzw. Lohntabellen”, Zulagen und Zuschläge sowie sonstige Entgeltbestimmungen um 2,7 %.

1.1.2021: Erhöhung der KV-Tabelle, Ist-Gehälter, der „alten Gehalts- bzw. Lohntabellen”, Zulagen und Zuschläge sowie sonstige Entgeltbestimmungen um die durchschnittliche Inflationsrate von November 2019 bis Oktober 2020 plus 0,6 %.

1.1.2022: Reduktion der kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit von 38 auf 37 Wochenstunden. Für MitarbeiterInnen, die bereits jetzt nicht mehr als 37 Wochenstunden arbeiten, ändert sich an der vertraglichen Wochenarbeitszeit nichts, die Arbeitszeitverkürzung wirkt sich für sie in einer Entgelterhöhung von 2,7 % aus. Zulagen und Zuschläge: +2,7 %
Der Mehrarbeitszuschlag für die 38./39./und 40. Stunde beträgt ab 1.1.2022 33 %.

Mitarbeiter*innen, die im Zeitraum von 16.3.2020 bis 30.6.2020 in unmittelbaren persönlichen Kundenkontakt stehen bzw. gestanden sind, erhalten pauschal eine „Corona-Prämie“ in der Höhe von € 500,-.

Die Erhöhungen für die Jahre 2020 und 2021 finde ich im Hinblick auf die extrem unsichere wirtschaftliche Lage gut. In die Inflationsrate für die Erhöhung 2021 fallen auch noch die Monate vor der Krise hinein. Ich bin auch froh, dass in der jetzigen Situation die plus 2,7% für 2020 gehalten haben. Im Vergleich zu den KV-Abschlüssen anderer Branchen liegen wir im obersten Bereich.

Mit dem Abschluss für 2022 hingegen bin ich unzufrieden. Mit der Arbeitszeitverkürzung von 38 auf 37 Wochenstunden ist nicht einmal annähernd das Ziel von 35 Stunden erreicht. Für uns bedeutet die Verkürzung gar nur eine halbe Stunde! Darüber hinaus wurde keine Gehaltserhöhung oder wenigstens die Inflationsabgeltung vereinbart, abgesehen von der Erhöhung von 2,7% auf Zulagen/Zuschläge. Und diese erhalten einige Mitarbeiter*innen-Gruppen bei uns nicht einmal. Für Teilzeitmitarbeiter*innen bedeutet die halbe Stunde allerdings ein Plus von 1,35%.

Meine Einwände habe ich im kleinen Verhandlungsteam auch eingebracht.

Ich war in meiner Entscheidungsfindung zur Abstimmung gespalten und bin es heute noch. Letztendlich habe ich doch zugestimmt. Ausschlaggebend waren die Ergebnisse für 2020, 2021, und dass der erste, wichtige Schritt in Richtung Arbeitszeitverkürzung getan wurde. Auch die wirtschaftlichen Prognosen, die befürchtete Rezession, die ständig steigenden Arbeitslosenzahlen waren mit ein Grund.

Ob die Entscheidung, dem Ergebnis zuzustimmen, gut war, wird erst die Zukunft zeigen.

Bitte schreibt mir eure Meinung zum Ergebnis. Ich werde diese in das Verhandlungsteam und die Gewerkschaft tragen, wo wir sicher darüber reflektieren und diskutieren werden.

Liebe Grüß

Angelika